Die Europameisterschaft der Transplantierten ist jetzt schon fast zwei Wochen her. Was dennoch bleibt sind die beiden Meisterschaftstitel und ganz viele tolle Erinnerungen. Über einen der beiden habe ich aber noch nicht berichtet, deshalb wird es jetzt aller höchste Zeit!
Am Samstag, welcher gleichzeitig der letzte Tag der gemeinsamen Woche war, ist das Leichtathletikstadion am Radley College noch einmal richtig belebt worden. Viele Athletik Events standen bevor, wie unter anderem mein 1500m Lauf.
Nachdem der Tag ziemlich chaotisch mit einigen Zeitabänderungen gestartet hat, war mein Lauf dann aber doch ein voller Erfolg. Im großen Ganzen muss ich sagen, dass es dieses Jahr auf der Europameisterschaft einige starke Konkurrentinnen gab, wodurch die Wettkämpfe noch spannender und aufregender wurden.
Es kommt immer wieder dazu, dass ganz neue Athleten mit dabei sind, die man so gar nicht auf dem Schirm hat. Wie das sein kann? Mitmachen dürfen Transplantierte ab einer Zeit von fünf Monaten nach ihrer Transplantation. Es kommt immer wieder dazu, dass Patienten schon vor ihrer Transplantation erfolgreiche Athleten waren, dann den Schicksalsschlag ausgesetzt werden, ein neues Organ bekommen und den Weg zurück ins Leben finden. Sie fangen wieder mit dem Sport an und landen dann hoffentlich bei den Meisterschaften der Transplantierten. So gibt es jedes Jahr wieder neue Gesichter auf den Meisterschaften, was richtig spannend ist. Gleichzeitig werden die Karten dadurch jedes Mal im wahrsten Sinne des Wortes „neu gemischt“ und du weiß nicht was dich nächstes Mal erwartet, kannst du den Titel halten?
Aber zurück zu meinem Wettkampf… an dem Tag hat mich ein Filmteam für eine Dokumentation über Transplantierte begleitet. Ich habe mich aufgewärmt und fertig gemacht für den Lauf. Die Zeitabänderungen haben mich ehrlich gesagt mental ziemlich herausgefordert. Gleichzeitig war es aber auch eine gute Übung, zu lernen sich schnell auf neue Situationen einzustellen.
Dann der Lauf… wir haben uns an die Startlinie gestellt, auf die Plätze, fertig, … nichts. Diese Sekunden haben sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt. Dann die Durchsage, ein technischer Fehler, die Startschuss-Pistole funktioniert nicht – also nochmal von vorne. Das Adrenalin konnte ich inzwischen in meinem ganzen Körper fühlen.
Der zweite Start war dann erfolgreich. Ich bin schnell gestartet und habe mich direkt an die Spitze abgesetzt, konnte die Schritte und den Atem meiner englischen Konkurrentin jedoch im Nacken spüren. Sie war schon bei den 5000m Wettkampf direkt hinter mir. Ich wusste, jetzt muss ich strategisch Laufen und mich absetzen. Ich habe alles um mich herum ausgeblendet mein Tempo angezogen, ganz sicher, wie nah sie an mir dran ist war ich aber nicht. Ich habe gehört, dass mein Team mir aus dem Publikum irgendetwas zugerufen hat, genau verstanden habe ich es aber nicht. Deshalb blieb nur eine Möglichkeit, schneller laufen. Die fast vier Runden vergingen wie im Flug. Meine Strategie schien aufzugehen, keine Geräusche mehr hinter mir, das Tempo nochmal angezogen. Als ich die letzten zwei Schritte als erste durchs Ziel gemacht habe, war ich einfach nur überglücklich und super erleichtert – der zweite Lauf, der zweite Titel. Die Freude war groß!
Was für eine tolle Woche! In dieser Woche ist mir wieder klar geworden, das Leben ist ein Geschenk und ich bin so dankbar ein so „normales“ Leben ohne große Einschränkungen führen zu dürfen. Mein persönlicher Held – mein Organspender!
Bera Wierhake